Provenienzforschung
1998 verabschiedete die Washingtoner Konferenz über Vermögenswerte aus der Zeit des Holocaust 11 Grundsätze in Bezug auf Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden. Die Museen der unterzeichneten Staaten waren aufgefordert, ihre Bestände bezüglich ihrer Herkunft und insbesondere in Hinblick auf während der Zeit des Nationalsozialismus unrechtmäßig enteignete Kunstwerke zu überprüfen.
1999 bekräftigte die Bundesregierung Deutschland mit der „Gemeinsamen Erklärung“ ihre Bereitschaft nach weiterem NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut zu suchen und gegebenenfalls die notwendigen Schritte zu unternehmen, eine gerechte und faire Lösung zu finden. Die Museen wurden ermuntert, ihre Unterlagen zu erschließen, Informationen und Forschungsstände offen zu legen, Bestände zu überprüfen und Objekte mit unklarer oder bedenklicher Provenienz zu veröffentlichen.
Der Kunstpalast ist seitdem bestrebt, dieser Aufforderung nachzukommen und langfristig alle seit 1933 erworbenen und bis 1945 entstandenen Kunstwerke in der Sammlung auf ihre Provenienz hin zu überprüfen. Die Auskunfts- und Restitutionsgesuche finden Sie hier.
Hierzu wurde erstmals von 2010 bis 2012 ein wissenschaftliches Projekt zur Provenienzermittlung von Ankäufen der Abteilung Moderne der 1950er -1960er Jahre eingerichtet. Mit dem Projekt wurde die Kölner Provenienzforscherin Dr. Katja Terlau beauftragt, gefördert wurde es durch die Arbeitsstelle für Provenienzrecherche/-forschung am Institut für Museumsforschung der Staatlichen Museen zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz. 2012 schloss sich dieser Untersuchung ein weiteres ebenso gefördertes und von Katja Terlau durchgeführtes, längerfristiges Projekt zur Provenienzerforschung der 1933-1945 erworbenen Kunstwerke in der Gemäldegalerie des Museums an.
Ziel der Projekte war es, die Provenienzen der Kunstwerke systematisch auf alle Eigentümerwechsel in der Zeit des Nationalsozialismus zu überprüfen, gegebenenfalls bedenkliche Provenienzen herauszufiltern, um dann nähere Untersuchungen einzuleiten bzw. die Werke aufgrund ihrer ungeklärten oder tendenziell bedenklichen Herkunft in der DZK-Datenbank „Lostart“ einzustellen.
Mit ihren Provenienzforschungsprojekten sowie durch die bei lostart.de eingestellten Objekte unterstützt der Kunstpalast die Auffindung, Identifizierung und Klärung von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut.
Alle Projekte wurden vom Deutschen Zentrum für Kulturverluste, früher Arbeitsstelle für Provenienzrecherche/-forschung am Institut für Museumsforschung der Staatlichen Museen zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz, gefördert.
Kontakt
Kunstpalast
Barbara Til, stellvertretende Leiterin der Sammlungen
Tel. +49 (0) 211 56642350
Email: barbara.til@kunstpalast.de
Dr. Christiane Jungklaus, Provenienzforscherin Kunstpalast
Tel. +49 211-566 42 362
Email: christiane.jungklaus@kunstpalast.de
Provenienzforscherin der Landeshauptstadt Düsseldorf
Dr. Iris Metje
Tel. +49 (0) 211 89 987 86
Email: iris.metje@duesseldorf.de
Projekte
Seit Oktober 2013
Alfred Flechtheim
Der Galerist und Kunsthändler Alfred Flechtheim (1878–1937) gehörte zu den einflussreichen Persönlichkeiten der deutschen und internationalen Kunstszene im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. 1913 eröffnete er seine erste Galerie in Düsseldorf, weitere in Berlin und Frankfurt folgten. In kürzester Zeit avancierte Flechtheim zum Wegbereiter der Avantgarde, besonders in Deutschland förderte er Künstlerpersönlichkeiten wie Max Beckmann, George Grosz und Paul Klee. Bereits 1933 war er massiven antisemitischen Attacken ausgesetzt, die ihn zwangen, Deutschland zu verlassen und nach London zu immigrieren.Dort versuchte er weiter seiner Tätigkeit als Kunsthändler nachzugehen, verstarb jedoch 1937 an den Folgen eines Unfalls. Seine Witwe erhielt 1941 einen Deportationsbescheid und nahm sich daraufhin das Leben.
Bis heute haben Flechtheims kunsthändlerische Aktivitäten nicht nur im Kunstpalast, sondern in zahlreichen deutschen Museen ihre Spuren hinterlassen. Jedoch war in vielen Fällen nicht ausreichend geklärt, unter welchen Umständen die Werke aus seinen Galerien um 1933 in die Museen gelangt waren, nachdem Flechtheim seine Tätigkeiten in Deutschland aufgeben musste.
Aus diesem Grund wurde 2009 das Forschungsprojekt Alfred Flechtheim.com initiiert, mit dem Ziel, die Wege der Kunstwerke aus der Flechtheim-Galerie in die jeweiligen Sammlungen zu verfolgen, transparent zu machen und – soweit möglich – zu dokumentieren. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen wurden im Oktober 2013 unter www.alfredflechtheim.com veröffentlicht und bieten über die Provenienzermittlung hinaus einen Einblick sowohl in die Mechanismen des Kunsthandels als auch in die Sammlungsstrategien der Institutionen. Insgesamt beteiligten sich folgende Museen an dem Projekt und leisteten damit zugleich einen wichtigen Beitrag zur Provenienzforschung:
- Kunstmuseum Bonn
Kunsthalle Bremen
Museum für Kunst und Kulturgeschichte, Dortmund
Kunstpalast Düsseldorf
Stiftung Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf
Städel Museum, Frankfurt
Hamburger Kunsthalle
Sprengel Museum Hannover
Staatliche Kunsthalle Karlsruhe
Museen der Stadt Köln
Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München
Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster
Staatsgalerie Stuttgart
Museum Rietberg, Zürich
Die Beschlagnahme „Entarteter Kunst“ 1937 in den Kunstsammlungen der Stadt Düsseldorf
Identifizierung der Kunstwerke. Erfassung der Objekt- und Erwerbsdaten Forschungsprojekt 2013
Die Aufgabe dieses Forschungsprojektes zur Beschlagnahme „Entarteter Kunst“ 1937 in den Kunstsammlungen der Stadt Düsseldorf (heute Kunstpalast) im Auftrag der Forschungsstelle für „Entartete Kunst“, Freie Universität Berlin, gefördert von der Gerda Henkel Stiftung, bestand in der Identifizierung der Kunstwerke sowie der Erfassung der Objekt- und Erwerbsdaten. Grundlage für die Untersuchungen waren die von der Forschungsstelle „Entartete Kunst“ erstellten und zur Verfügung gestellten Datensätze zu den beschlagnahmten Kunstwerken.
Auf dieser Grundlage sollten alle im Düsseldorfer Museum verfügbaren weiteren werk-relevanten Informationen insbesondere aus den Inventarbüchern, Beschlagnahmelisten, Bildakten und historischen Korrespondenzen ergänzt werden. Den historischen Aktenbestand im Stadtarchiv Düsseldorf galt es auf relevante Dokumente zu überprüfen, die gegebenenfalls zur Überarbeitung der Beschlagnahmedaten hinzugezogen werden könnten.
Abschließend ist festzuhalten, dass insgesamt offenbar mehr Gemälde 1937 beschlagnahmt worden sind als bislang angenommen. In früheren Unterlagen aus dem Stadtarchiv Düsseldorf werden beispielsweise nur 103 beschlagnahmte Gemälde (statt 113 gelistete Gemälde) und zehn Bildwerke genannt. Durch die erfolgten Recherchen konnte der Verbleib bzw. die Herkunft dieser Werke jetzt weitgehend geklärt werden.
Auch bei den Arbeiten auf Papier stellten sich fehlerhafte Angaben in den bislang vorliegenden Listen heraus. Zudem konnten wertvolle Zusatzinformationen für eine spätere Identifikation der Blätter ermittelt, Namen unbekannterer Künstler korrigiert und Rückkäufe vermerkt werden. Nach Abschluss des Projekts können insgesamt 1055 Arbeiten von 192 Künstlern als beschlagnahmt gelten, entgegen der früheren Zahl von 899 Werken.
Darüber hinaus ergaben sich neue Erkenntnisse zum Verkauf oder Tausch moderner Kunst seitens des Museums ab 1933. Beispielsweise waren 1937 einige Verkaufsprozesse mit der Galerie Möller im Gange (u.a. Otto Dix, „Selbstporträt“, Oskar Kokoschka, „Porträt Hauer“), so dass sich die Bilder, von denen man zum Teil annahm, sie seien beschlagnahmt worden, in dieser Zeit gar nicht mehr im Museum befanden.
Die Ergebnisse des Projekts sind im Beschlagnahmeinventar unter http://emuseum.campus.fu-berlin.de/eMuseumPlus einsehbar.
Sammlung Lühdorf
Forschungsprojekt 2014/15
Ziel dieses Projektes war es, die Provenienz derjenigen Werke der Graphischen Sammlung zu untersuchen, die das Kunstmuseum der Stadt Düsseldorf – heute Kunstpalast – in der Zeit von 1949 bis 1964 aus der Sammlung des Düsseldorfer Juristen Dr. Hans Lühdorf (1910-1983) erhielt und die vor 1945 entstanden sind. Untersucht wurden insgesamt 103 graphische Blätter zumeist Werke des Expressionismus von Erich Heckel, Wassily Kandinsky, Emil Nolde, Karl Schmidt-Rottluff und anderen, deren größter Teil 1964 als Schenkung in die Graphische Sammlung gelangte (einige Werke erwarb das Museum bereits 1949 und 1950 von Dr. Hans Lühdorf).
Der Zeitraum, in dem Dr. Hans Lühdorf die Sammlung zusammentrug, war zu Projektbeginn nicht genau bekannt. Deshalb wurden bei den Provenienzrecherchen die Werke möglichst vom Zeitpunkt der Entstehung bis zum Erwerb durch Dr. Hans Lühdorf dokumentiert, wobei insbesondere der Zeitraum 1933-1945 in Hinblick auf einen möglichen NS-verfolgungsbedingten Entzug berücksichtigt wurde. Für die Fälle, in denen eine abschließende Klärung nicht möglich war, wurden diese Lücken aufgezeigt und es erfolgte eine abschließende Bewertung hinsichtlich ihrer Bedenklichkeit.
Die Forschungsergebnisse finden Sie hier.
Provenienzforschung zu Glasobjekten erworben von Dr. Johannes Jantzen aus der ehem. Sammlung Margarete Oppenheim-Reichenheim
Die Kunstsammlungen der Stadt Düsseldorf (heute Kunstpalast) erwarben 1940 von dem Juristen und Sammler Dr. Johannes Jantzen ein Konvolut von 189 Gläsern. Dazu zählen auch 6 Objekte aus dem ehem. Besitz der jüdischen Kunstsammlerin Margarete Oppenheim. Kunstgewerbe hatte bereits ihr erster Mann Georg Reichenheim gesammelt.
In einem vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste geförderten Forschungsprojekt wurden von Oktober 2022 bis Februar 2023 von Dr. Katja Terlau Provenienzrecherchen zu diesen 6 Gläsern durchgeführt. Danach scheinen die Gläser wohl kurz nach dem Tod der Margarete Oppenheim am 2.9.1935 über ihre Tochter an den Kunsthändler Hans Rudolph veräußert worden zu sein. Er kaufte ein Konvolut von „etwa 80 z. T. sehr wertvollen“ Gläsern aus dem Nachlass Margarete Oppenheims in „einem typischen Fall unlauteren Geschäftsgebahrens“ zu einem „Schandpreis“. Bereits zuvor war Rudolph aufgrund betrügerischer Praktiken im Kunsthandel aufgefallen. Die Erbin und die Testamentsvollstrecker sahen jedoch von einem juristischen Vorgehen gegen ihn ab. Vermutlich erwarb Jantzen die in Rede stehenden Gläser von Hans Rudolph.
Es besteht weiterer Forschungsbedarf. Zum Verbleib von Werken aus der ehem. Sammlung der Margarete Oppenheim wird aktuell an mehreren Museen geforscht.
Bildnachweise
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