MAMA.

Von Maria bis Merkel


12. März bis 3. August 2025

Freudig ausgerufen, gemeckert, schnell gesprochen oder in die Länge gezogen – beim Wort MAMA haben alle augenblicklich einen Sound im Ohr. Die Ausstellung im Kunstpalast widmet sich den vielfältigen Vorstellungen davon, was es heißt eine Mutter zu haben, zu werden oder zu sein. Der Blick richtet sich auf die gesellschaftlichen Erwartungen, die seit jeher das Muttersein beeinflussen und sich in Kunst, Kultur und Alltag niederschlagen. Gezeigt werden neben Malerei und Skulptur, Videoinstallationen und Fotografie auch Dinge des täglichen Gebrauchs sowie Musik und Werbung. Anhand von rund 120 Werken vom
14. Jahrhundert bis in die Gegenwart öffnet sich ein Panorama, das alle angeht – auch Väter und jene ohne eigene Kinder. 

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In acht Kapiteln beschäftigt sich die Schau mit den vielseitigen Aspekten von Mutterschaft. Von der „Guten Mutter“ über Care-Arbeit bis hin zu Familienkonstellationen: Sie zeigt, dass die Mutterrolle schnell in verschiedene, sehr individuelle Perspektiven zerfällt, die jedoch in der Kulturgeschichte tief verbunden sind. Eine vielstimmige Soundinstallation gibt anhand vorab aufgenommener Sprachnachrichten persönlichen Erfahrungen, Erinnerungen und Visionen Raum.

„Jeder Mensch hat eine Mutter. Indem wir Mutterschaft ins Zentrum einer Ausstellung stellen, greift der Kunstpalast einmal mehr ein Thema auf, das die Lebenswelt unserer Besucherinnen und Besucher direkt berührt, und das alle mit eigenen Erfahrungen und Meinungen verbinden. Die Schau lässt Ernsthaftigkeit auf Humor und Kunst auf Alltags- und Popkultur treffen – damit knüpft sie auf mehreren Ebenen an das Leitbild des Kunstpalastes an“, so Felix Krämer, Generaldirektor Kunstpalast.

Populärkultur und Kunst verweisen gleichermaßen auf die gesellschaftlichen Erwartungen an Mütter und die Rolle der GUTEN MUTTER. Den Anfang machen Marienfiguren vom 14. bis 18. Jahrhundert. Das Bild der heiligen Maria – der wahrscheinlich prominentesten Mutter des christlichen Kulturraums, ist bis heute Sinnbild für absolute mütterliche Hingabe. Das Stereotyp der „guten“ Mutter verfestigte sich im 18. Jahrhundert und ist immer noch verbreitet: Zeitgenössische Künstler*innen in der Ausstellung thematisieren die Anstrengungen, die mit diesem Ideal einhergehen: Für ein Porträt seiner Mutter hat Aldo Giannotti (*1977) ihr ein Schild in die Hand gedrückt. Das darauf zu lesende Wort „MOM“ wird erst dann zum bewundernden Ausruf „WOW“, wenn sie sich der Strapaze aussetzt, kopfüber von der Decke zu hängen. Mutterschaft ist ein Maßstab, an dem die Leistung einer Frau gemessen wird – selbst, wenn sie keine Mutter ist. Ein bekanntes Beispiel ist Angela Merkel (*1954)‚ die als deutsche Bundeskanzlerin den Spitznamen „Mutti“ erhielt und als Mutter Theresa auf einem Magazin-Cover des Spiegels zu sehen ist.

Die historische Veränderlichkeit von Vorstellungen „guter“ Mutterschaft machen Ratgeberbücher aus verschiedenen Jahrzehnten des 20. und 21. Jahrhunderts deutlich, deren Aufforderungen an Mütter sich nicht selten fundamental widersprechen. RAT ODER REGEL – Von der Weimarer Republik über den Nationalsozialismus, die frühe Bundesrepublik und DDR bis in die Gegenwart des wiedervereinigten Deutschlands ist das Genre von Brüchen wie auch Beständigkeit gezeichnet. Ein Bücherregal in der Ausstellung versammelt Ratgeberliteratur aus den letzten Jahrzehnten und lädt die Besuchenden zum Pausieren und Lesen ein.

„Ideal- und Rollenbilder, Ratschläge, Erwartungen und Emotionen – das Thema Mutterschaft in seiner kunst- und kulturhistorischen, in seiner gesellschaftlichen und nicht zuletzt auch in seiner ganz persönlichen Dimension erfahrbar zu machen, ist Ziel dieser Ausstellung“ sind sich die drei Kuratorinnen der Schau einig. Linda Conze, Westrey Page und Anna Christina Schütz haben sich dem Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln genähert, haben Mütter wie auch Nicht-Mütter in der Sammlung des Kunstpalastes gefunden, diese Positionen um wichtige, teils internationale Leihgaben ergänzt und zu einer Erzählung zusammengeführt. „Bezüge zwischen den gemeinsam ausgewählten Werken offenbaren Kontinuitäten, aber auch die Wandlungsfähigkeit von Mutterbildern, die immer wieder angeeignet, neuinterpretiert, umkämpft und gefeiert werden. Wir verstehen die Schau als Einladung, einen Dialog über Fürsorge und Mütterlichkeit zu öffnen und freuen uns, auch die Perspektiven des Publikums zu hören“, so das Kuratorinnen-Team.

Kinder zu betreuen ist Arbeit. Nichtsdestotrotz bleibt CARE-ARBEIT meist unbezahlt und wurde traditionell automatisch den Frauen zugewiesen. Künstler*innen haben mit kritischem Blick darauf aufmerksam gemacht, dass Fürsorge durch gesellschaftliche Normen und Klassenzugehörigkeit geprägt ist. Lange Zeit stillten nur mittellose Mütter ihre Babys selbst, während finanziell bessergestellte Frauen dafür Ammen engagierten. Um 1800 setzte sich die Auffassung durch, dass alle Frauen die Versorgung der Kleinsten selbst übernehmen sollten: Die Präsenz der leiblichen Mutter gewann an Bedeutung. In der Gegenwart werden berufstätige Mütter, die sich „zu sehr“ auf ihre Karriere konzentrieren, genauso verurteilt wie diejenigen, die sich ganz den Kindern und dem Haushalt widmen. Das Ausbalancieren von Care- und bezahlter Arbeit sowie der Rolle als Betreuerin und weiteren Identitäten ist ein wiederkehrendes Thema unter den Künstlerinnen der Ausstellung. Paula Modersohn-Becker (1876—1907), die mit mehreren Gemälden vertreten ist, war stets fasziniert von Motiven der Mutter-Kind-Bindung. Dennoch war sie besorgt über die Auswirkungen ihrer eigenen Mutterschaft auf ihre künstlerische Arbeit. Camille Henrot (*1978) thematisiert in ihrer Skulptur eines sich in der Mechanik einer Milchpumpe auflösenden Körpers den schmalen Grat zwischen Versorgung und Selbstaufopferung.

Die Ausstellung vertieft die Frage nach ORTEN DER MUTTERSCHAFT: Historische Puppenküchen werden in Dialog mit der Videoarbeit „Semiotics of the Kitchen“ von Martha Rosler (*1943) gebracht, die die Entfernung des Ortes der Hausfrau von intellektuellen Settings thematisiert. Die schottische Künstlerin Caroline Walker (*1982) zeigt Mütter mit ihren Neugeborenen in der intimen und gleichzeitig isolierenden häuslichen Sphäre. In Naturlandschaften fotografiert sich die finnische Künstlerin Katharina Bosse (*1968) in erotisch aufgeladenen Posen mit ihrem Kleinkind, das neben ihr krabbelt. Damit bricht sie mit der scheinbaren Naturidylle, die Mutterschaft in der Kunst- und Kulturgeschichte umgibt.
Verschiedene Künstlerinnen thematisieren in ihren Werken, dass die Entscheidung (K)EIN KIND zu BEKOMMEN trotz allen Fortschritts oftmals nicht frei getroffen werden konnte und kann. Die weibliche „Natur“ wurde in unterschiedlichsten Gesellschaften jahrhundertelang über die Fähigkeit der Frau definiert, Kinder zu empfangen und zu gebären. Weibliches Exempel und Sonderfall zugleich ist die Jungfrau Maria, deren Lebensweg in Dürers „Marienleben“ nachvollzogen wird. Stets ist ihr Handeln auf ihren Sohn ausgerichet, den sie im göttlichen Auftrag empfangen hat.
Die medizinischen Errungenschaften und gesellschaftlichen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts erlaubten Frauen erstmals sich von ihrer gesellschaftlich vorgegebenen Bestimmung zu emanzipieren, durch die Einnahme der Pille zur Empfängnisverhütung oder die Inanspruchnahme des umkämpften Rechts auf einen Schwangerschaftsabbruch. Hannah Höch (1889-1978) verarbeitet malerisch ihr Ringen um die Entscheidung gegen ein Kind von Raoul Hausmann. Nina Hagens (*1955) Protest gegen die von ihr erwartete Erfüllung einer Mutterpflicht im Song „Unbeschreiblich Weiblich“ steht Elina Brotherus (*1972) Auseinandersetzung mit der eigenen ungewollten Kinderlosigkeit gegenüber.

Die körperliche Verbundenheit von Mutter und Kind wurde lange Zeit widerspruchslos als Voraussetzung für eine als wesenhaft verstandene Mutterliebe gesehen. Dass die oft als positiv konnotierte intime Beziehung zwischen Mutter und Kind in allen Lebensaltern auch eine potenziell traumatische Seite haben kann, zeigt die Ausstellung ebenfalls. Leigh Ledare (*1976) beschäftigt sich in einer Fotoserie mit der NÄHE zu seiner Mutter, die ihren erwachsenen Sohn mit kompromisslosem Begehren konfrontiert. In einer Videoarbeit der Performancekünstlerin Lerato Shadi (*1979) lecken sie und ihre Mutter einander Zucker und Salz von der Zunge und loten den Raum zwischen Abneigung und Zuneigung aus. Der Sessel des italienischen Designers Gaetano Pesce (1939—2024) verspricht die Rückkehr in den Schoß der Mutter, wobei das Fußteil über eine „Nabelschnur“ mit dem Körper des Möbelstücks verbunden ist.

MUTTERSEELENALLEIN beschreibt in der deutschen Sprache die maximale Steigerungsform von Einsamkeit. Die Schmerzensmutter Maria, die ihren toten Sohn Jesus Christus betrauert, gehört zu den zentralen Motiven in der westlichen Kunstgeschichte. Immer wieder haben Künstler*innen auf die sogenannte Pietà Bezug genommen und sie als Motiv angeeignet und neuinterpretiert. Dem Verlust des Kindes steht der Verlust der Mutter gegenüber, den Künstler*innen verschiedener Generationen bisweilen autobiografisch zum Thema gemacht und ihrer persönlichen Trauer auf diese Weise Ausdruck und Form verliehen haben.  Zuletzt kann „mutterseelenallein“ auch sein, wem die Mutterschaft verwehrt geblieben ist, ob aufgrund gesellschaftlicher Normen, körperlicher Voraussetzungen oder unfreier Entscheidungen.

Das Ausstellungskapitel FAMILIENKONSTELLATIONEN stellt die Frage, welchen Einfluss Familienbilder auf Mutterschaft haben. Im 18. Jahrhundert steigt die Kernfamilie zum Ideal der westlichen Welt auf. Die Mutter ist in diesem Modell das Fürsorgezentrum, die finanzielle Erhaltung obliegt dem Vater. Künstler*innen haben durch ihre Verarbeitung persönlicher oder beobachteter Erfahrung die Dominanz der Konstellation Vater-Mutter-Kind infrage gestellt. Alice Neel, die von ihrer Tochter getrennt lebte, fängt in ihren Familienporträts psychologische Feinheiten ein, die sich einfachen Narrativen widersetzen. Oliviero Toscanis Kampagnenfotos für die Modemarke Benetton forderten um 1990 konservative Vorstellungen von Familie heraus, indem sie homosexuelle Eltern ins Zentrum rückten. Queere Lebensentwürfe können zu Sichtweisen inspirieren, in denen Fürsorge auf mehreren Schultern verteilt wird, statt sie allein der biologischen Erzeugerin zuzuordnen. Auch der Kreis derer, die bemuttert werden können, öffnet sich über die leibliche Verwandtschaft hinaus: Umsorgt werden ebenso Zieh-, Stief-, Adoptiv- und Pflegekinder. In der Vielschichtigkeit gegenwärtiger Lebensformen tritt die Verbundenheit mit einem Haustier gleichberechtigt neben andere. Die Kunst spiegelt die Verschiebung von der Frage: „Wer ist die Mutter?“ hin zu: „Wer handelt mütterlich?“

Die Schau versteht sich als Einladung, den Dialog über Fürsorge und Mütterlichkeit fortzusetzen — etwa im vielfältigen Begleitprogramm, das von einer Hebammensprechstunde in der Ausstellung bis hin zu Workshops mit unterschiedlichen Kollektiven und Organisationen wie Düsseldorfer Familientreffs reicht. Weitere Programmpunkte, darunter Vorträge, Talk-Formate sowie Yoga Sessions werden gemeinsam mit der VALEARA-Gruppe, die die Ausstellung als Sponsor unterstützt, umgesetzt.

Eine der prominentesten Mutterfiguren Deutschlands hat den durch die Ausstellung führenden Audioguide eingesprochen: Marie-Luise Marjan alias „Mutter Beimer“ aus der beliebten TV-Serie Die Lindenstraße konnte hierfür gewonnen werden.

Kuratorinnen: Linda Conze, Leitung der Fotosammlung am Kunstpalast, Westrey Page, Kuratorin Sonderprojekte und Anna Christina Schütz, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Graphischen Sammlung

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